Vorschlag eines Fusionsreaktors mit geschlossenem Magnetfeld in Form zweier paralleler Spiegelmaschinen, deren Enden je durch eine stellarator-artige Plasmaleitung verbunden sind

von: Thomas B a l o u i

Es wird eine Bauart eines Fusionsreaktors vorgeschlagen, die die Vorteile der Spiegelmaschine aufweist, aber trotzdem ein magnetisch vollständig eingeschlossenes Plasma ermöglicht. Die Spiegelmaschine galt einmal als aussichtsreicher Kandidat für die Bauart eines Fusionsreaktors, da sie kostengünstig ist und vorteilhafte physikalische Eigenschaften hat. Aber es zeigte sich, da an ihren beiden Enden ein vollständiger magnetischer Einschluß des Plasmas prinzipiell unmöglich ist, daß ihre Energieeinschlußzeit zu gering ist, um Plasmaparameter erreichen zu können, die das Lawson-Kriterium erfüllen. Die vorgeschlagene Anordnung löst dieses Problem, indem diese Enden durch eine stellarator-artige Plasmaleitung mit möglichst geringem Volumen miteinander verbunden werden, so daß das Magnetfeld innerhalb des Reaktorvolumens in sich geschlossen ist. Das geringste Leitungsvolumen erhält man, indem zwei identische Spiegelmaschinen parallel angeordnet werden, so daß es reicht mit zwei kurzen Leitungen nur die jeweils benachbarten Enden zu verbinden.

 

Es ist bekannt, daß zur Erzeugung elektrischen Stroms mittels Kernfusion ein Brennstoffplasma benötigt wird, dessen Parameter Dichte, Temperatur und Energieeinschlußzeit so sind, daß deren Produkt einen bestimmten Wert, das sogenannte Lawson-Kriterium, überschreitet. Hier ist insbesondere die Energieeinschlußzeit als kritisch anzusehen, da sie eine so niedrige effektive Kernladungszahl Z des Plasmas erfordert, daß noch keines der heutigen Fusionsexperimente mit magnetischem Plasmaeinschluß die dazu nötige Reinheit des Plasmas dauerhaft aufrechterhalten kann. Die anderen beiden Parameter gelten inzwischen, insbesonders dank Hochtemperatursupraleiter, als technologisch erzeugbar. Es wurden mehrere Konzepte zum magnetischen Einschluß eines solchen Plasmas vorgeschlagen, darunter auch die sogenannte Spiegelmaschine.

Sie besteht aus einem zylindersymmetrischen Magnetfeld, das weitgehend parallel zu einer z-Achse verläuft, und sich an den beiden Enden der Maschine möglichst stark zur Achse hin verengt. Geladene Teilchen kreisen im parallel verlaufenden Teil des Feldes um die Feldlinien, d.h. sie sind senkrecht zur Achse gefangen, können sich aber parallel dazu frei bewegen. Sobald diese Bewegung sie an den Enden der Maschine in den Bereich gekrümmter Feldlinien führt, kreuzen sie während ihrer Kreisbewegung verschieden ausgerichtete Feldlinien. Diejenige Geschwindigkeitskomponente, die eben noch parallel der einen Feldlinie war, enthält auf der nächsten Feldlinie eine zu ihr senkrechte Komponente und führt dort somit zu einer Bahnänderung.

Zusammen mit der Zunahme der magnetischen Felddichte führt dies dazu, daß Teilchen, bei denen das Verhältnis der Geschwindigkeitskomponente senkrecht zur z-Achse geteilt durch die parallele Komponente einen durch die Magnetfeldstärke gegebenen Wert überschreiten, ihre Bewegung in z-Richtung umkehren. Sie werden also an den Enden der Maschine am dortigen Magnetfeld "gespiegelt", und sind somit eingeschlossen. Andererseits gilt dies nicht für jene anderen Teilchen, deren Verhältnis von senkrechter zu paralleler Geschwindigkeitskomponente unterhalb dieses Spiegelparameters liegen. Die Spiegelmaschine ist also in gewissem Sinne "undicht", ein vollständiger magnetischer Einschluß des Plasmas ist mit ihr prinzipiell nicht möglich.

Zwar stellt rein materiell gesehen dieser permanente Verlust an Brennstoff bei der Erzeugung elektrischer Energie kein Problem dar; da der äußerst kostengünstige Brennstoff sowieso permanent nachgefüllt werden muß. Dies kann eventuell sogar gerade durch diese Undichtigkeit hindurch erfolgen. Ebenso läßt sie sich auch sehr gut nutzen, um die durch Fusionreaktionen erzeugten Teilchen, deren Kernladungszahl höher als die des Brennstoffs ist, die sogenannte "Fusions-Asche", aus dem Reaktorvolumen zu entfernen. Dies ist nötig, da sie eine Erhöhung der mittleren Kernladungszahl des Plasmas, und damit im erheblichen Maße strahlende Elektronenübergänge bewirkt, und so thermische in elektromagnetische Energie umwandelt. Letztere ist nicht magnetisch einschließbar, und führt somit zu einer entsprechend starken Verschlechterung der Energieeinschlußzeit. Hier ist es also sogar von Vorteil, daß die teilweise Durchlässigkeit der magnetischen Spiegel eine permanente Abfuhr dieser "Asche" aus dem Plasma ermöglicht.

Der wesentliche Nachteil dabei ist jedoch: Die an den Enden der Maschine entweichenden Teilchen tragen ja auch einen Teil der im Plasma enthaltenen Energie mit sich fort; der nachgefüllte Brennstoff ist im Vergleich dazu "kalt". Der sich so ergebende permanente Energieverlust ist so hoch, bzw. die resultierende Energieeinschlußzeit so niedrig, daß seit Beginn der 70er Jahre in der experimentellen Fusionsforschung das Konzept der Spiegelmaschine weitestgehend zugunsten magnetisch in sich geschlossener Konfigurationen, namentlich dem Tokamak und dem Stellarator, aufgegeben wurde. Beide haben gemein, daß ihr Magnetfeld nicht linear, sondern torusförmig ist, und somit das geschilderte Problem nicht auftritt, da ihr Feld keine offenen Enden hat. Jedoch hat diese gekrümmte Form auch Nachteile. Sie fördert MHD-Instabilitäten des Plasmas und andere unerwünschte Prozesse, wie z.B. eine Driftbewegung des Plasmas in Richtung äußerer Wand, und führt zu vergleichsweise sehr hohen Baukosten.

Hier wird nun vorgeschlagen, die Vorteile eines geschlossenen Magnetfelds mit den Vorteilen einer Spiegelmaschine zu kombinieren, indem eine Bauform gewählt wird, die beide Konzepte in sich vereint. Um die dabei ebenfalls auftretenden Nachteile eines gekrümmten Magnetfeldes zu minimieren, muß gefordert werden, daß der Anteil des Plasmavolumens, der sich in den gekrümmten Teilen des Magnetfeldes befindet, im Verhältnis zum Volumen in linearen Teilen des Feldes durch die Bauart der Maschine minimiert wird. Oder einfach gesagt, die stellarator-artigen Bauteile der Maschine müssen so klein, wie physikalisch möglich, gebaut werden, wohingegen die, da zylindersymmetrisch, wesentlich günstiger zu konstruierenden Spiegelmaschinen-Sektionen möglichst großvolumig gestaltet werden sollten.

Dies soll realisiert werden, indem zwei identische Spiegelmaschinen parallel angeordnet, und ihre Enden durch zwei möglichst kurze, gekrümmte Plasmaleitungen verbinden werden, deren Magnetfelder mit denselben Techniken wie in Stellaratoren erzeugt werden. Dies sind z.B. Magnetspulen mit berechneten Krümmungen, so wie sie der Wendelstein-7, oder der zur Zeit im Bau befindliche Wendelstein-X in Greifswald hat, oder helix-artige Spulen.

Es ist zu beachten, daß, obwohl nur ein in sich geschlossenes Magnetfeld das gesamte Reaktorvolumen füllt, durch die vier magnetischen Spiegel das Plasmavolumen in vier Sektionen L1, L2, S1 und S2 unterteilt wird, zwischen denen nur noch eingeschränkt ein Teilchenaustausch möglich ist. Dadurch wird eine Rotation des Plasmas und ein Nettostrom innerhalb des Plasmas, eine weitere Quelle möglicher Plasmainstabilität, unterdrückt. Aufgrund der Symmetrie kann man davon ausgehen, daß in den beiden Spiegelmaschinen-Sektionen S1 und S2 jeweils gleichartige Plasmaparameter herrschen, weswegen ich im folgenden deren Volumina zu einem Volumen S zusammenfasse, und entsprechend die Plasmaleitungen zu einem Volumen L.

Das vorgeschlagene Konzept sieht weiterhin vor, daß nur das Volumen S der Erzeugung der gewünschten Fusionsleistung dient. Also muß nur dort die dazu nötige Reinheit des Plasmas und die dem Lawson-Kriterium entsprechenden Plasmabedingungen erzeugt und aufrecht erhalten werden! Die Zufuhr von Brennstoff kann eventuell auch in L erfolgen, wo der neue Brennstoff durch Stöße mit dem dortigen Plasma "vorgeheizt" wird, bevor er nach S diffundiert. Hier muß betont werden, daß die zum Vorheizen verwendete Energie letztlich eben jene ist, die durch die undichten Spiegel von S nach L entwichen ist! Diese "Verlustenergie" wird also durch die hier vorgeschlagene Reaktorbauart wieder in das System zurückgespeist. (Dies ist vergleichbar mit der Funktionsweise des Regenerators, dem der Stirlingmotor erst seine enorme Effizienz verdankt.)

Das Volumen L sollte die Vorrichtungen für die Entfernung der Fusionsasche aus dem Plasma enthalten. In diesem Zusammenhang ist es besonders interessant, daß unter dem Stichwort "alpha-particle channeling" Techniken zur selektiven Beeinflussung der Fusionsasche Helium in Bezug auf Temperatur und Diffusion durch einen magnetischen Spiegel mittels eingestrahlter Mikrowellen diskutiert werden.

Man kann L aufgrund der dortigen schlechteren Energieeinschlußzeit als Energiesenke und S aufgrund der dortigen Fusionsleistung als Energiequelle auffassen. Dies verstärkt noch die Notwendigkeit, das Volumen von L möglichst klein, und das von S groß zu gestalten, da sowohl die Verluste in L als auch die Fusionsleistung in S mit deren jeweiligen Längen und Radien skalieren.

Auch ist es in Hinblick auf die Erzeugung elektrischen Stroms mittels Kernfusion vorteilhaft, das Volumen von S möglichst groß zu gestalten, da aus der bisherigen Fusionsforschung Skalierungsgesetze bekannt sind, nach denen die nötige Reinheit des Plasmas um so besser erreicht werden kann, je größer die Dimensionen des Reaktorgefäßes sind. Man kann sich dies so veranschaulichen: Da neben der Fusionsasche die einzig andere Quelle von Verunreinigung nur die innere Wand des Reaktorgefäßes sein kann, und da eine Oberfläche bei Vergrößerung der Baugröße quadratisch wächst, das darin enthaltene Plasmavolumen hingegen mit der dritten Potenz, führt eine Erhöhung der Reaktorgröße zwangsläufig zu einer Reduzierung der mittleren Verunreinigungsdichte im Plasma. Auch alle anderen störenden Wandeinflüsse werden auf diese Art entsprechend reduziert

Deswegen ist es von besonderem Vorteil, daß die einfache Symmetrie von S1 und S2 es sehr einfach macht, das Volumen S beinahe beliebig groß zu gestalten. Es wäre sogar denkbar, einen Reaktor so zu gestalten, daß sein Volumen S sich auch noch nachträglich vergrößern läßt, indem die Sektionen S1 und S2 durch Einfügen von weiteren zylindrischen Teilstücken verlängert werden. Eine der beiden Sektionen L1 oder L2 müßte hierzu beweglich gelagert sein, um sie entsprechend versetzen zu können.

Sollte die Behinderung des Teilchen- und damit des Energietransports zwischen den einzelnen Sektionen durch die magnetischen Spiegel so groß sein, daß die pro Zeiteinheit nach L abfließende Energie niedriger ist, als die dort in der Energiesenke verloren gehende Energie, müßte sich zwischen L und S eine Temperaturdifferenz bilden. Die magnetischen Spiegel würden also wie eine Thermo-Isolierung zwischen S und L wirken. Dies wäre von großem Vorteil, den je niedriger die Temperatur, und somit der Energieinhalt in S, desto weniger Energie kann dort pro Zeiteinheit verloren gehen, und vor allem umso mehr Energie verbleibt somit in S. Die Energieeinschlußzeit würde sich also verbessern.

Für solch eine Temperaturdifferenz würde gelten: Im konstanten Dauerbetrieb muß der Netto-Teilchenstrom durch jeden der magnetischen Spiegel null sein. Dies erzwingt, daß die Produkte aus mittlerer Teilchengeschwindigkeit mal Teilchenanzahl pro Zeiteinheit für die von rechts und von links durch den Spiegelquerschnitt diffundierenden Teilchen gleich sind. Unter der Voraussetzung, daß die Teilchengeschwindigkeiten Maxwell-verteilt sind, ist die mittlere Teilchengeschwindigkeit proportional zur Wurzel der Temperatur.

Es ist also möglich, und zum Zwecke der Erzeugung elektrischen Stroms auch sinnvoll, dauerhaft in S eine wesentlich höhere Temperatur als in L aufrecht zu erhalten. Sobald solch eine Temperaturdifferenz erzeugt wird, bildet sich entsprechend dem eben gesagten eine Teilchendichtedifferenz. Die Dichte in S sinkt, andererseits steigt die in L. Dort ist es dann einfacher, durch permanente Teilchenentfernung verbunden mit permanenter Brennstoffzufuhr eine möglichst niedrige Kernladungszahl Z einzustellen, wodurch aufgrund der, wenn nun auch behinderten, immer noch erfolgenden Teilchendiffusion zwischen L und S auch im angrenzenden S die Kernladungszahl minimiert wird.

Die Möglichkeit bei Baukosten etwa proportional zum Volumen einen Reaktor mit sehr großem Volumen S zu bauen, wobei dieses Volumen ev. eine höhere Temperatur als das Volumen L hat, und die genannten Skalierungsgesetze läßt es möglich erscheinen, daß in einem genügend großem Reaktor nach Zündung eines Fusionsplasmas durch Zugabe von Tritium und äußere Heizung bei genügend hoher Temperatur-Einschlußzeit soviel Fusionsenergie in Form von schnellen geladenen Teilchen Energie an das Plasma abgegeben wird, und dieses sich somit selbst weiter heizt, daß es anschließen sogar genügt reinen Wasserstoff als Brennstoff nachzufüllen, um die Fusion permanent aufrecht zu erhalten.

Zwar entstehen auch bei solch einem reinen Wasserstoff-Betrieb im Plasma als Reaktionsprodukte Tritium-Kerne. Da aber der Wirkungsquerschnitt der Deuterium-Tritium-Reaktion viel höher liegt, als derjenige der Deuterium-Deuterium-Reaktion, und im Plasma bereits Bedingungen herrschen, die sogar für die D-D-Reaktion ausreichend sind, wird dieses Tritium bereits kurz nach seiner Entstehung durch die viel reaktionsfreudigere D-T-Reaktion vernichtet.

 

Zusammenfassend läßt sich sagen: Es wurde ein Konzept zum Bau eines Fusionsreaktors vorgeschlagen, der sowohl Bauteile eines Stellarators als auch Bauteile einer Spiegelmaschine enthält. Dies soll die Vorteile beider Bauarten, vor allem das in sich geschlossene Magnetfeld des Stellarators, daß Teilchen- und damit Energieverluste unterdrückt, und die einfache, konstengünstige Geometrie der Spiegelmaschine, die Plasmainstabilitäten unterdrückt, in der neuen Bauform vereinen. Um die damit ebenfalls einfließenden physikalischen und kostenmäßigen Nachteile der stellarator-artigen Bauteile zu minimieren, wurde gefordert, daß deren Volumen so klein wie möglich sein soll, wohingegen ein möglichst großes Volumen der Spiegelmaschinen-Sektionen gewünscht ist. Es wurde erläutert, daß die Herabsetzung der Teilchendiffusion zwischen den Sektionen durch die magnetischen Spiegelfelder Wirkungen haben, die für die Erzeugung elektrischen Stroms von Vorteil sind. So werden dadurch Plasmainstabilitäten unterdrückt, und das Plasmavolumen in Bereiche aufgeteilt, in denen auch im Dauerbetrieb verschiedene Drücke, Temperaturen und Grade an Plasmareinheit herrschen können. Dies ermöglicht, die Fusionsleistung nur in den dafür besser geeigneten großvolumigen Bereichen mit annähernd linearen Magnetfeld zu erzeugen, und die Abfuhr der Fusionsasche in die kleinvolumigen Stellarator-Sektionen zu verlegen. Anhand von Skalierungsgesetzen, die einen verbesserten Energieeinschluß bei Vergrößerung der Spiegelmaschinen-Volumina vorhersagen, wurde aufgezeigt, das eine genügend große Maschine mit reinem Wasserstoff als Brennstoff auskommen kann.